Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran

Nach einer sehr langen Vorbereitungszeit und Planung der Route ging es am 05. August endlich los mit unserer Alpenüberquerung. Ursprünglich wollten wir die klassische E5 Route laufen, allerdings haben wir schnell bemerkt, dass diese sehr überlaufen ist und deshalb ab dem dritten Tag keine Hütte mehr buchbar war. Somit ging es ab Tag drei auf eigenen Wegen durch die Bergen, allerdings mit geplanten Schlafmöglichkeiten. 

1. Etappe

Am Anreisetag ging es von der Heimat über München nach Oberstdorf. Die Reise ging gut los. Unser erster Zug von München ist ausgefallen und im folgenden Zug gab es Probleme mit der Klimaanlage, so dass auch dieser Zug getauscht werden musste. Unser Ziel um 15 Uhr mit der Wanderung zu beginnen verschob sich auf 17 Uhr. Von der Spielmannsau sind wir in gut 2,5 Stunden zur Kemptner Hütte gelaufen. Diese befindet sich auf 1846 m. An der Hütte angekommen wurden wir mit Beifall empfangen. Wir sind total verschwitzt und gut fertig in die Hütte und mussten uns für Essen entscheiden, da wir 7 Minuten vor Küchenschluss erst angekommen sind. Die Hütte ist der Startpunkt für Wanderungen des E5 und war somit gut belegt. An diesem Tag sind wir in meinen Augen sehr früh ins Bett gegangen. Es war erst 21 Uhr. Diese Zeit wurde aber später unser Standard. Übrigens um 22 Uhr ist auf den Hütten Nachruhe angesagt 🙂 

2. Etappe

Nach einer für mich sehr erholsamen Nacht bin ich um 6 Uhr aufgewacht. Max war nicht in Sichtweite. Ich dachte mir er ist sicher schon aufgestanden. Max hatte sich allerdings in einen Nebenraum gelegt, weil es in unserem Raum sehr warm und „laut“ war. Da sieht man mal was es für Vorteile hat wenn man körperlich fertig ist 😀 
Wir haben unsere Sachen gepackt und sind um 7 Uhr losgelaufen. Das heutige Tagesziel war die Memminger Hütte. Uns beiden war bewusst, dass es die wohl härteste Etappe auf unserer Tour werden wird. Wir mussten zunächst von der Kemptner Hütte weiter aufsteigen auf den Roßgumpe. Diese Spitze befindet sich kurz hinter der Deutsch-Österreichischen Grenze, welche wir nicht einmal bemerkt haben. Von dort haben wir beobachtet, wie ein Rettungshubschrauber die Kemptner Hütte angeflogen hat. Scheint wohl doch ganz schön gefährlich zu sein in den Bergen zu wandern. Nach Überwindung des Berges ging es ins Tal nach Holzgau. Dort haben wir uns erstmal mit Frühstück eingedeckt. Einige Kilometer im Tal ging es nun östlich bis zum „Madau“-Tal. In diesem Tal hatten wir auch nochmal gute 11 km vor uns, bis wir am Fuß des Berges Seekogel (2412 m) angekommen sind. Ich habe einen Materiallift entdeckt und mit dem Gedanken gespielt mich von meinem Rucksack zu trennen, da ich wusste wir haben noch 800 Höhenmeter auf 4 km vor uns. Es hat angefangen zu Regnen und mir sind beim Laufen immer mehr Fehler passiert. Irgendwann ging es nicht mehr. Max hat vorgeschlagen die Rucksäcke zu tauschen und das war die Lösung. Ich hatte gefühlt kein Gewicht mehr auf meinem Rücken – was für eine Erleichterung (Max hat seinen Rucksack nicht gewogen. Wir schätzen er war 3-4 kg leichter). Es war sehr faszinierend was der Körper für Kräfte mobilisiert, wenn er das Ziel sieht. An dem heutigen Tag waren wir pünktlich zum Abendessen auf der Hütte und haben bei einer Bergsteiger Linsensuppe und Bier den Abend ausklingen lassen. Den Schlafplatz haben wir uns mit 6 weiteren Wanderern geteilt. Eine/r hielt es wohl für ganz wichtig im Schlafraum seine Socken zu trocknen und dazu Zwiebelchips zu essen. Eine Kombi, die meine Nase wohl erstmal nicht vergessen wird. Bitte hängt doch eure Socken über die Schuhe im Schuhraum oder noch besser hängt sie in den Trockenraum!

Magnesium und Vitamintabletten in Verbindung mit Schlaf und Bier haben übrigens sehr gut regeneriert 😀 

3. Etappe

Wie schon am Vortag sind wir wieder um 6 Uhr aufgestanden, damit wir pünktlich um 7 Uhr auf dem Weg sind. GPS Gerät meinte 13 km (Luftlinie) und ich war guter Dinge, dass wir das in gut 3,5 Stunden packen. Wie alle anderen Wanderer des E5 sind wir in Richtung Edelrautenspitze (2450 m) geklettert, vorbei an wunderschönen Bergseen immer bergauf. Kurz vor dem Kamm haben sich dann aber unsere Wege von klassischen E5 getrennt und wir sind auf eigenen Wegen weiter. Es folgten 4 Stunden klettern bis wir um 11 Uhr auf dem Sattel der Parseierspitze (2848 m) angekommen sind. Man muss sich das so vorstellen: 200 m hochklettern, 200 m runterklettern, entlang eines Kamms laufen und das ganze von vorne. Nach der zweiten Kletteraktion sind wir auf ein Felsmassiv gewandert und waren uns nicht sicher wie wir darüber kommen. Es ging aber. Desto näher man an den Berg kommt desto mehr Möglichkeiten ergeben sich und es gibt kein Zurück 🙂 

Da war ich also nach 4 Stunden. Nicht am Ziel sondern auf der höchsten Stelle des heutigen Tages und Max und ich wussten, dass Grins auf ca. 900 m liegt. Yehaa wir müssen also noch 1900 m absteigen. Für den Abstieg haben wir nochmal ganze 6,5 Stunden gebraucht.

In diesem Video sieht man recht gut die Höhe und den Unterschied zum Tal:

200 Höhenmeter vor Grins hatte ich so schwere Knieprobleme, dass wir eine Zwangspause machen mussten. In Grins angekommen hatten wir noch gut 2 Stunden Zeit bis unser Bus nach Feichten kam. Leider gab es in diesem Dorf keine Möglichkeit sich mit Erfrischungsgetränken einzudecken. Eine Dorfbewohnerin hat uns aber bemerkt und uns ein kaltes Dosenbier ausgegeben. Sehr sehr vielen Dank. Das tat verdammt gut!

Nach einer kurzen Bustour über die Bezirkshauptstadt Landeck sind wir in Fließ in unserer Unterkunft angekommen. Den Abend haben wir uns eine große Pizza gegönnt und anschließend ging es wie immer recht früh ins Bett.

4. Etappe

Die 4. Etappe ging mit einer Bustour nach Feichten los. Von dort sollte es über die Verpeilhütte (2025 m) zum Tagesziel der Kaunergrathütte weiter gehen. Leider gab es auf dem Weg zur Kaunergrathütte einen Felssturz und der Weg war unpassierbar. Wir hätten nach einem Anstieg zur Verpeilhütte von 3 Stunden nochmal 7-8 Stunden Umweg laufen müssen bis wir zur Hütte gekommen wären. Das haben wir uns nicht mehr zugetraut, da wir durch die beiden Vortage noch angeschlagen waren und auch für den Nachmittag starke Gewitter gemeldet waren. Wir haben uns entschieden wieder ins Tal abzusteigen und den nächsten Tag die verlorene Strecke mit dem Bus nachzuholen. Für den Abstieg haben wir nochmal 3 Stunden gebraucht und ich kann sagen, dass Berge hinabsteigen definitiv nicht mein Ding wird – auch nicht mit Hilfe von Stöcken 🙂 Im Kaunertal sind wir in den Lärchenhof eingecheckt und haben bei Sauna und gutem Essen den Tag ausklingen lassen und uns gut erholt. 

5. Etappe

Der heutige Tag bestand nur aus Bus und Bahnfahren, um nach Vent zu kommen und die nicht passierbare Wanderstrecke auszugleichen. Fast genauso anstrengend wie einen schweren Rucksack durch die Gegend zu schleppen!

6. Etappe

Um 7 Uhr sind wir in Vent auf 1900 m losgelaufen. Nach gut 2,5 Stunden sind wir an der Martin-Busch-Hütte angekommen. Diese haben wir für ein kurzes Frühstück genutzt. Die Martin-Busch-Hütte ist eine Berliner DAV Hütte und  als Berliner DAV Mitglied habe ich mich dort gleich doppelt heimisch gefühlt. Um 10 Uhr gings es weiter zu unserem letzten Aufstieg, der Similaunhütte auf 3019 m. Was eigentlich 2-3 Stunden dauern sollte laut Beschilderung haben wir in gut 1,5 Stunden geschafft. Der Körper war perfekt erholt und wollte nur noch laufen. Da wir schon recht früh auf der Hütte waren haben wir beschlossen noch einen kleinen Tagesausflug zur Fundstelle von Ötzi zu unternehmen. Die Stelle befindet sich oberhalt der Similaunhütte gut eine Stunde klettern entfernt. 

Hier sieht man den Aufstieg kurz nach der Hütte:

Wir waren dazu mit leichtem Gepäck unterwegs, um schneller vorwärts zu kommen. Im Zielgebiet hat es leider angefangen zu regnen, welcher in Hagel überging. Zunächst hatten wir Probleme die Stelle zu finden, aber nach etwas Erkundung wussten wir wo es weitergeht. Ohne GPS und Kompass in einer Wolke kann man recht schnell die Orientierung verlieren. 

Auf dem Rückweg wurde das Wetter immer schlimmer und gipfelte in einem Gewittersturm. Ich habe es leicht mit der Angst zu tun bekommen, als zwischen Blitz und Donner keine Sekunde verging. In diesem Moment versucht man nur Höhe zu verlieren und in Deckung zu gehen!

7. Etappe

Nach einer für mich recht kurzen Nacht habe ich den Sonnenaufgang auf der Hütte genossen. Ich hatte Probleme einzuschlafen und anschließend durchzuschlafen. Es waren am Abend zuvor wohl doch ein paar Getränke zu viel.

So wie gestern unsere letzte Besteigung auf dem Programm stand, ging es heute das letzte mal Talwärts. Ich wäre lieber nochmal wo hinaufgelaufen. Bergab laufen macht einfach keinen Spaß. Vor allem wenn man es 4 Stunden lang macht. 

Am Stausee in Vernagt angekommen haben wir unsere Füße gekühlt, die Schuhe gereinigt und auf den Bus gewartet, der uns die letzten Kilometer nach Meran gefahren hat. Da wir unseren Geldbeutel etwas schonen wollten lag unser Hotel auf einem Berg in Meran. Hatte den Vorteil einer super Aussicht. Unseren letzten Abend haben wir auf dem Stadtfest von Meran ausklingen lassen. Den nächsten Morgen ging es mit der Seilbahn ins Tal.

Fazit

Wenn ich zurückblicke war es die anstrengendste Reise, die ich bisher gemacht habe. Die ersten beiden Tage hatte ich immer im Hinterkopf aufzugeben. Auf der 3. Etappe ging mir den ganzen Tag durch den Kopf, dass es doch wirklich eine gute Idee ist, die Kameraausrüstung (3 kg)  nach Hause zu schicken, um Gewicht zu sparen. Ab der 4. Etappe war aber alles in Ordnung. Rucksack und ich sind eins geworden und ich hatte sogar Spaß die Kamera zu nutzen 🙂 

Insgesamt haben wir von den geplanten 180 km ca. 130 km zu Fuß geschafft. Wir sind uns einig, dass wir die Etappe zur Kaunergrathütte auf jeden Fall nachwandern werden. Die Hütte liegt recht abgelegen und auch das Tal ist wunderschön. 

Viele Grenzen habe ich verschoben. Es ist erstaunlich, was der Körper an Schmerz und Anstrengungen einstecken kann bis er aufgibt. Auch war ich sehr erfreut darüber, wie schnell sich der Körper an laufen und klettern gewöhnt und nach kürzester Zeit wieder regeneriert ist. Auf der 5. Etappe haben wir beide das Laufen vermisst und unsere Pläne sahen eigentlich vor eine kleine Tageswanderung zu unternehmen, was leider aufgrund der späten Ankunft nicht mehr möglich war.
Meine Höhenangst war so gut wie verschwunden. Ich hatte eine große Ehrfurcht vor den Kletterpassagen und jeder Schritt wurde zweimal überlegt, aber Schockmomente wie früher sind ausgeblieben.  

Im folgenden gibt es noch ein paar Bilder.